Von unbewussten Handlungen und noch nicht begangenen Wegen
Unser Leben besteht aus vielen Wegkreuzungen – aus ganz realen, an denen wir uns entscheiden müssen, ob wir nach links oder nach rechts gehen, um irgendwo anzukommen. Aber auch aus Wegkreuzungen, die eine Entscheidung von uns verlangen zu unserem weiteren Lebensweg.
Wie oft wir an diesen Kreuzungen stehen, nehmen wir im Alltag oft gar nicht mehr bewusst wahr. Etwas in uns entscheidet sich für den bekannten Weg. Über diesen muss ich nicht mehr nachdenken. Die Füße, die Gefühle, die Gedanken gehen ihn ganz automatisch. Keine Gefahr, kein Risiko liegen auf diesem Weg. Aber auch kein Abenteuer, keine neuen Erlebnisse, keine Möglichkeit zu reifen und zu wachsen.
Wenn ich achtsam durch mein Leben gehe und mich den Tag über einmal bewusst beobachte bei dem, wie ich handle, wie ich reagiere, wie ich denke – dann entdecke ich diese verborgenen Wegkreuzungen, an denen ich wählen könnte. Wählen, ob ich auf dem bekannten Weg bleibe oder ob ich etwas Neues in mein Leben hineinlasse. Ob ich mit Aufmerksamkeit weitergehe oder mich im gewohnten Trott wieder in meinen Gedanken, Sorgen, Planungen oder Ängsten versenke.
Achtsamkeit für Alternativen
Wie wäre es, einmal anderes zu handeln? Einen anderen Weg zu gehen, einen anderen Weg zur Arbeit fahren. Wo anders einzukaufen. Die Menschen um mich herum diesmal anzusehen und ihnen nicht nur gedankenverloren auszuweichen. Nicht gleich das Handy herauszunehmen, wenn ich warten muss, sondern die Wartezeit auszuhalten. Mich auszuhalten. Mein Gedankenkreisen zu beobachten und mich ihm nicht nur zu ergeben?
Vielleicht fällt mir dabei ein, was ich vergessen habe – Menschen, Träume, Ideen – weil meine Gedanken und meine Handlungen immer automatisch in den normalen Trott zurückfallen, dem ausgetretenen Weg folgen, den sie schon seit Jahren gehen. Vielleicht entdecke ich plötzlich eine Wegkreuzung wieder, an der ich doch schon lange in die andere Richtung gehen wollte. Oder zumindest einmal ein Stück weit dem Weg folgen wollte, um zu sehen, wo er denn hinführen könnte.
Vielleicht rufe ich doch einen alten Freund mal wieder an, anstatt schon wieder Nachrichten auf dem Smartphone zu lesen oder mich vor den Fernseher zu legen, und erfahre Neuigkeiten von ihm, die mein Leben bereichern. Vielleicht höre ich einmal hin, was mein Gegenüber mir sagt, und lasse meine Aufgabe für ein paar Minuten liegen, um ihm richtig zuhören zu können. Dadurch verstehe ich ihn in seinem Handeln vielleicht besser und wodurch unsere Zusammenarbeit leichter werden könnte.
Vielleicht erlaube ich mir auch, meinen langgehegten Traum einmal tatsächlich zu denken, zu fühlen, richtig hineinzuspüren und dränge ihn nicht gleich wieder weg, weil es ja doch unrealistisch ist, dass ich das jemals haben darf, sein darf, erreichen darf.
Veränderungen erfordern mein Tun
Das andere, ungewohnte Tun erfordert Anstrengung. Weil ich wieder aktiv werden muss. Weil ich mich aktiv entscheiden muss, etwas anders zu tun als sonst.
In unserem vollen, hektischen Alltag ist manchmal solch eine Anstrengung bereits eine unüberwindbar scheinende Hürde. Aber ich kann versuchen, mir einen kleinen Augenblick zu erkämpfen, bevor ich das nächste Mal unbewusst reagiere, indem ich wahrnehme, was ich gerade tue. Mich beobachte beim Tun. Prüfe, ob es nicht auch einen anderen Weg in dieser Situation gäbe, andere Gedanken, die ich denken könnte. Diesen anderen Weg, die anderen Gedanken gleich einzuschlagen ist nicht notwendig. Vielleicht ist das Gewählte und Gewohnte ja genau das, was mir guttut. Oder Not tut im Moment.
Aber zumindest habe ich die Alternative wahrgenommen. Ich kann darüber entscheiden, ob sie für mich eine Alternative wäre, ob ich mir erlauben möchte, wenigstens von diesem neuen Weg zu träumen und ihn vielleicht in Zukunft dann doch einmal zu gehen.