NdeZ_Sonne in den Baeumen 2

Ausgleich und Entschleunigung

Gastbeitrag von Stefan Kronberger

Wieder ins Lot kommen

„Nur wer den Luxus der Langsamkeit genießen kann, darf sich im Traum wiegen, das kostbarste aller Menschengüter zu besitzen: Zeit!“

Mit diesem Zitat aus dem Roman „Cox oder der Lauf der Zeit“ von Christoph Ransmayer möchte ich meinen Beitrag zum Ausgleich beginnen. Auch wenn sich die Frage stellt, was tatsächlich das kostbarste aller Menschengüter ist.

Aber irgendwie verdichtet sich immer mehr das Gefühl, dass sich das Hamsterrad schneller und schneller dreht und der Wert der Langsamkeit keine Bedeutung mehr hat. Warum sonst müssen im Arbeitsleben möglichst 3 oder noch mehr Dinge gleichzeitig erledigt werden?  (Und damit dies möglich ist, bekommt natürlich jedes Projekt den Status einer Katastrophe, um oberste Priorität zu genießen.) Warum meinen immer mehr meiner Kunden keine 2 Wochen mehr auf einen Termin warten zu können? Dabei hat das Warten ja auch den Vorteil, dass man sich auf etwas freuen kann oder es in Ruhe noch einmal überdenken. Nein, da wird lieber Druck aufgebaut. Druck, den man irgendwann auch körperlich spürt.

Wenn der Druck dann immer weiter steigt und bis abends mal wieder nur die Hälfte dessen erledigt werden konnte, was eigentlich zu tun war, dann ist es plötzlich auch da. Das Gefühl: „Nein, das schaffe ich nicht mehr“. Es kommt genauso blitzschnell, wie der eigene Schatten, den man wirft, wenn die Sonne auf einer Wanderung aus einer Wolkendecke bricht. Und da man den eigenen Schatten auch durch Wegrennen nicht abschütteln kann, lässt sich dieses Gefühl auch durch schnelleres und noch mehr Arbeiten nicht loswerden. Beim Blick ins eigene Umfeld stellt man dazu noch fest, Kollegen und Freunde nehmen plötzlich Medikamente gegen Tinnitus und nachdem man von einem Menschen erfährt, der nach Burnout ausgestiegen ist und sich dann das Leben nahm, ist es höchste Zeit intensiv darüber nachzudenken, was hier aus dem Ruder läuft.

Sind es die Maschinen und Rechner (die kleinen „Helfer“), die wir erfunden haben und die in der Zwischenzeit schneller rechnen und auswerten können als wir dazu jemals in der Lage sein werden und die uns jetzt in diesem Tempo vor sich hertreiben?

Warum muss Arbeit so verdichtet werden, dass vom eigentlichen Sinn der Arbeit nicht mehr viel übrig bleibt und sie sogar krank macht? Ist es die Gier nach immer mehr Wachstum, Erfolg, Geld, …?

Haben wir Angst davor einmal „Nein“ zu sagen, weil wir dann von anderen auf der Karriereleiter überholt werden könnten?

Warum setzen wir uns dann immer noch mehr Druck in unserer Freizeit aus? Lauscht man manchen Gesprächen auf Berghütten, dann bestehen Berge nur aus Höhenmetern und Zeiten, die unterboten werden müssen. Ist Ruhe und Entspannung ein Zeichen von Schwäche oder zeichnen sie ein Bild von einem, dem man auf gar keinen Fall entsprechen will?

Jetzt ist ja Stress nicht nur schlecht. Es gibt auch positiven Stress, der uns hilft Aufgaben zu erledigen und leistungsfähig zu sein. Alles verbunden mit positiven Gefühlen. Fehlt jedoch die  Zeit zum Luft holen und kann der aufgebaute Druck nicht mehr entweichen wird er in uns angesammelt und der Krug geht ja bekanntlich so lange zum Brunnen bis er bricht.

Wie regelt das denn eigentlich die Natur?

Auf den Tag, an dem man aktiv ist, folgt die Nacht um Auszuruhen.

Im Frühjahr erwacht das Leben, im Sommer wird geblüht und gefruchtet damit im Herbst geerntet werden kann, bevor im Winter wieder alles ruht.

Auf jedes Einatmen folgt das Ausatmen, bei dem der Druck entweicht.

„…jenes bedrängt, dieses erfrischt, so wunderbar ist das Leben gemischt…“
Goethe

Auch Gott hat am siebten Tag geruht und vor allem die Erde nicht an einem Tag erschaffen. Es folgt also auf jede Phase der Anspannung auch wieder eine Phase der Entspannung, damit die Waage im Gleichgewicht bleibt.

Warum können wir uns so wunderbar anspannen und haben das Entspannen irgendwann verlernt?

Wach werden wir leider meist erst, wenn der Körper zeigt, dass es ihm jetzt reichen würde. Anscheinend müssen wir wieder lernen in uns hineinzuhören und achtsamer mit uns und unserer Gesundheit umzugehen. Die Warnsignale erkennen und rechtzeitig darauf reagieren, damit wir innerlich im Lot bleiben und nicht auf die „schiefe Bahn geraten“. Das ist natürlich immer leichter geschrieben als getan. Manchmal helfen aber auch schon kleine Schritte. Wieder lernen neben der Anspannung auch Momente für den Ausgleich zu schaffen (z.B. sich jeden Tag eine halbe Stunde Zeit nehmen nur für sich selber). Die kleinen Wunder am Wegesrand und die schönen Dinge, die man ja auch jeden Tag erlebt, wieder bewusster wahrzunehmen und sich darüber freuen. Einmal Nachschauen welche Gepäckstücke im Rucksack unnötiger Ballast geworden sind. Um sie dann herauszunehmen, damit es wieder Spaß macht ihn aufzusetzen und er nicht als drückende Last empfunden wird. Im Beruf, wenn es möglich ist, das Gespräch suchen und signalisieren, wo die eigene Grenze erreicht ist. Wieviel man eigentlich wertgeschätzt wird, gibt es dann als Gratisinfo mit dazu. Auf jeden Fall hat man dann die Rolle des Tennisballs aufgegeben, der von der einen in die andere Hälfte des Spielfeldes hin- und her gespielt wird und man fängt wieder an selber mitzuspielen. Und wenn es keine Bereitschaft gibt auf einen einzugehen, muss man sich darüber klar werden, wieviel man aushalten will und kann oder wieviel man bereit ist loszulassen.

Pauschallösungen dafür gibt es nicht und Entscheidungen, die tiefgreifende Veränderungen nach sich ziehen, verlangen einem auch sehr viel Kraft ab. Was man bei dieser Suche aber auf jeden Fall lernt, ist die eigene Mitte zu finden. Um diese Mitte kann man dann wachsen. Genauso wie ein Baum ja auch die Jahresringe um sein Zentrum legt, damit er breiter und höher werden kann.

Und wenn man dann wieder gelernt hat die Langsamkeit zu genießen, hat man auf jeden Fall einen der Schlüssel in der Hand, die helfen, die Tür zu einem bewussten Leben aufzuschließen.

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